Anhang
Singen ist an sich schon sehr speziell. Jeder Mensch hat unterschiedliche Werte und Begriffsvorstellungen.
Die Gesangstechniken arbeiten deshalb auch sehr viel mit Vorstellungen und mentalen Begriffen. So weit, so gut!
Erschöpft sich die Gesangstechnik aber in allgemein bekannten Wahrheiten und bekommt man nicht wirkliche Haltegriffe vermittelt, die der Stimme helfen, Stabilität zu entwickeln, um Belastungen der Stimme auszugleichen oder zu vermeiden, dann sieht es nicht so gut aus für den werdenden Sänger.
Mit mangelhafter oder gar fehlender Technik, wird der aufstrebende Sänger auf der Strecke bleiben.
Wie lange kann ein ausgebildeter Sänger im Durchschnitt in seinem Leben singen?
Solange die Stimme funktioniert, würde ich sagen. Die Stimme ist das Kapital des Sängers.
Geht er sorgsam damit um, kann er, wenn er gesund bleibt, lange singen.
Ansonsten verschwindet er mehr oder weniger schnell von der Bildfläche und das ist meistens sehr tragisch, denn jeder Sänger hat Hoffnungen und Wünsche, was die sogenannte Karriere angeht, die sich dann nicht mehr erfüllen werden.
Entscheidend für die Stimme ist natürlich auch in was für einem Fach man singt.
Nehmen wir die Zunft der Opernsänger, als die zweifellos schwierigste Sparte der Sänger.
Man durchläuft eine Schule, man nimmt Privatunterricht, wie auch immer, es zeigt sich im allgemeinen ziemlich früh, wohin die Reise geht.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Zur richtigen Zeit, die richtigen Leute treffen, die richtigen Partien singen und so weiter, spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Wie überall, gibt es auch bei den Sängern Senkrechtstarter, die über Nacht bekannt werden und ziemlich schnell Karriere machen.
Hat der Sänger dann den Höhenrausch und verlangt von Körper und Stimme zu viel, ist das der Anfang vom Ende.
Was für Partien singe ich, was für Partien muss ich ablehnen.
Zu solchen Entscheidungen gehört viel Fingerspitzengefühl und Instinkt für das eigene ICH.
Falsche Entscheidungen können das Ende einer Sängerkarriere bedeuten.
Ganz bestimmt ist man auf dem Abstieg, wenn man zu oft im falschen Fach singt
Aber es gibt auch noch andere Gründe für ein langsames Versagen der gewohnten Leistungsfähigkeit der Stimme.
Und da sind wir wieder bei den Ursprüngen der Stimmbildung!
Im Laufe meines Lebens habe ich immer wieder die Beobachtung gemacht, dass viele Sänger keine solide Technik besitzen und eigentlich mehr instinktiv und selbstbewusst auf die Kraft ihrer Stimme vertrauen.
Diese Sänger sind meistens Naturbegabungen, die eigentlich gar nicht so recht wissen, wie ihre Stimme funktioniert.
Sie haben zwar meistens eine Ausbildung, was die allgemeine künstlerische Entwicklung angeht, aber die Stimmbildung ist dabei nur ein notwendiges Übel.
Die Stimme wird nicht gebildet, sie ist ja da, ansonst wird nachgeholfen, meistens mit Kraft oder Gewalt
Der Sänger, da er es nicht anders kennt, empfindet die körperliche Anstrengung und stimmliche Belastung als normal oder nicht anders möglich.
Die Stimme ist aber damit ständiger Belastung ausgesetzt und wird je nach Konstitution müde werden.
Auffallend ist, dass die grossen Stimmen, ob Mann oder Frau, besonders gefährdet sind, weil sie oft gegen einen grossen Orchesterapparat ansingen müssen und die Stimme, ohne eine leichte und sichere Stimmführung, auf die Dauer zu sehr belastet wird.
Die Stimme reagiert auf diesen Zustand mit, nun sagen wir einer Art Verdruss, was sich in zunehmend unkontrollierbaren Tonschwingungen äussern kann, auch als Tremolo bekannt.
Besonders betroffen davon sind Sängerinnen, weniger die männlichen Kollegen.
Wahrscheinlich liegt es an der Konstitution der Männer und dass sie im Brustregister singen.
In der angesprochenen Situation verändert der Ton sein natürliches Vibrato ( Tonschwingung) und drückt auf den Kehlkopf. Der Ton verliert seine Fassung. Die Stimme greift nicht. Sie wird geschoben und überdehnt.
Meistens betrifft das Töne in der höheren Mittellage.
Wie wir wissen, sollte die Stimme bei jedem Ton bewusst greifen, in absoluter Lockerheit des gesamten Körpers und einer stabilen Balancehaltung des Tonansatzes. ( H S S )
In den unteren Lagen macht sie das meistens von selbst, in der höheren Mittellage macht sie es dann nicht mehr von alleine.
Tatsache ist, dass zu viele Stimmen durch falschen oder ungenauen Einsatz ihrer stimmlichen Mittel kaputt gehen.
Zum anderen wird die Stimme, das kostbarste Gut eines Sängers, rücksichtslos vermarktet und verbraucht, wenn man Karriere machen will.
Auch deshalb braucht der Sänger eine gute Stimmtechnik, eine gute Konstitution und viel Gelassenheit.
Ich wünsche allen angehenden oder auch gestandenen Sängerinnen und Sängern viel Glück und toi - toi - toi für die Zukunft!
Marion Fricke-Wiesenhütter